Am 9. März 2025 fand im Esslinger St. Paul ein eindrucksvolles Konzert mit dem Titel „Zeiten wenden“ statt, das den Abschluss des diesjährigen Tonart-Festivals markierte. Dieses Ereignis wurde der Flötistin und Bürgerrechtlerin Maryja Kalesnikava gewidmet, die in der internationalen Öffentlichkeit als eine der zentralen Figuren der Demokratiebewegung in Belarus bekannt ist. Kalesnikava erregte 2020 große Aufmerksamkeit, als sie während der Proteste gegen die umstrittene Präsidentschaft von Alexander Lukaschenko verhaftet und zu elf Jahren Haft verurteilt wurde. Ihr Schicksal spiegelt die aktuelle Situation in Belarus wider, wo mehr als 1.000 politische Gefangene, darunter auch Kalesnikavas Weggefährtin, weiterhin inhaftiert sind, wie Kontext Wochenzeitung berichtet.
Die Künstlerin, die 2012 an der Stuttgarter Musikhochschule ihr Studium abgeschlossen hat und in der Region musikalisch aktiv war, wurde 2022 mit dem Theodor-Haecker-Preis von der Stadt Esslingen ausgezeichnet. Dieser Preis würdigt ihre unermüdlichen Bemühungen um die Menschenrechte und die Demokratie. Unter dem Motto „Ave Maryja“ fanden am Abend des Konzerts verschiedene musikalische Darbietungen statt, die Kalesnikavas wechselvolle Biografie reflektierten und die Sehnsucht nach Freiheit zum Ausdruck brachten.
Künstlerische Darbietungen und Uraufführungen
Das Konzert bot ein abwechslungsreiches Programm mit solistischen Beiträgen und Ensembleaktionen. Es beinhaltete unter anderem zwei Uraufführungen, wobei der Auftakt von dem „Trio vis-à-vis“ und Helmut Lachenmanns Stück „temA“ gebildet wurde. Des Weiteren präsentierte die Schlagzeugerin Aleksandra Nawrocka Wojciech Blecharz’ kompositorisches Werk „Blacksnowfalls“.
Ein weiteres Highlight war die Uraufführung von „Echo 3“, einem Werk für fünf Schlagzeuger, das von Matthias Hermann komponiert und von Klaus Dreher dirigiert wurde. Parallel dazu wurden Texte des juristischen Vertreters Kalesnikavas, Maxim Znak, vorgetragen, der selbst gegenwärtig inhaftiert ist.
Besondere Aufmerksamkeit erhielt auch die Darbietung von Tamara Kurkiewicz, die mit einem virtuellen Feuerwerk aus perkussiven Aktionen in hochhackigen Schuhen das Publikum mitreißen konnte. Das Finale des Abends bildete die Uraufführung von „Ave Maryja“, das Klaus Sebastian Dreher speziell für Kalesnikava komponierte. Die musikalische Reise des Abends verlief von beschwingten Renaissancetänzen bis hin zu atonalen Klängen, die symbolisch für die Herausforderungen stehen, denen Kalesnikava und viele andere Belarusian gegenüberstehen.
Der Kontext der politischen Gefangenen
Die emotionale Tiefe des Konzerts wird durch die äußerst angespannte politische Lage in Belarus verstärkt. Präsident Lukaschenko hat am 28. Februar durch ein Referendum seine Macht bis 2035 ausgebaut und sich dadurch auch Straffreiheit gesichert. Der Ukrainekrieg zieht gegenwärtig viel internationale Aufmerksamkeit auf sich, aber viele vergessen die verzweifelte Situation in Belarus. Frauen wie Maria Kalesnikava und die durch den Krieg und politische Unterdrückung entwurzelten Menschen stehen im Fokus von Protesten, die zu spontanen Anti-Kriegs-Demonstrationen führten, an denen bis zu 100.000 Menschen teilnahmen. Viele der Beteiligten wurden verhaftet, was die Gefahren des Protests gegen das autoritäre Regime Lukaschenkos verdeutlicht.
Kalesnikava selbst blieb in Belarus, um das Wahlteam des oppositionellen Politikers Wiktar Babaryka zu unterstützen und trotz der Gefahren, die für sie persönlich bestanden. Ihr Engagement für die Freiheit und den Wandel in Belarus ist ungebrochen. Wie Maria Khomich, die für die politischen Gefangenen in Belarus kämpft, sagte, träumt auch sie von einem Glauben an eine bessere Zukunft – einem freien Belarus, in dem Menschenrechte und Demokratie herrschen.